Die Geschichte des Kyffhäuserbundes e.V.


Die Stammkameradschaft

Am 8. Juni 1786, wenige Wochen vor dem Tode Friedrich des Großen, schlossen sich zu Wangerin in Pommern vierzig ehemalige Soldaten des friderizianischen Füsilierregiments von Brünning zu einer „Militärischen Schützenbruderschaft“ zusammen.

Kameradschaftlich füreinander einzustehen, die aus den Kriegen heimgekehrten Verwundeten und Kranken zu betreuen, die Witwen und Waisen der Gefallenen zu unterstützen, verstorbenen Kameraden ein ehrenvolles Begräbnis zu sichern, die Pflege soldatischer Traditionen und „mit dem Gewehr nach der Scheibe zu schießen,“ um die Augen scharf die Hände sicher und den Geist soldatisch zu erhalten, wie es in der Gründungsurkunde hieß, waren einige der selbstgewählten Verpflichtungen, die sich die Angehörigen der Wangeriner Stammkameradschaft, aus der der Kyffhäuserbund den Ursprung seiner Tradition herleitet, auferlegten.

Mit diesen ethischen und gemeinnützig kameradschaftlichen Grundsätzen, die die wechselvolle Geschichte des Kyffhäuserbundes über zwei Jahrhunderte bis in die heutige Zeit überdauerten, ist die Wangeriner „Militärische Schützenbruderschaft“ die Keimzelle des Kriegervereinswesens.

Vereinsgründung im ganzen Reich

Zum Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden zwar weiter Kameradschaften, doch erfuhr das in dieser Zeit noch in seinen aller ersten Anfängen steckende Kriegervereinswesen erst nach den Befreiungskriegen 1812/13 einen gewissen Aufschwung. Dies geschah vor allem nach 1840 in Preußen, das als erster Staat die allgemeine Wehrpflicht einführte. Besonders zahlreich entstanden hier soldatische Vereinigungen in den Provinzen Pommern, Brandenburg, Sachsen und Schlesien.

Nach und nach, mit Einführung der Wehrpflicht, folgten auch die anderen Länder dem preußischen Beispiel. Die Bedeutung dieser Kriegervereine, die sich nur aus ehemaligen Kriegsteilnehmern zusammensetzten, und ihre Hauptaufgabe: „ihre verstorbenen Kameraden mit militärischen Ehren zu bestatten“, unterstreicht die Tatsache, dass sie in Preußen am 22. Februar 1842 durch „Allerhöchste Kabinettsorder“ des damaligen Königs Friedrich Wilhelm IV. gesetzlich anerkannt und offiziell zur nationalen Organisation erklärt wurden.

Trotz rechtlicher und gesetzlicher Sanktionierung konnte aber von einem Zusammenschluss der sich nach und nach gründenden Kriegervereine, die sich vielerorts „Militär-Begräbnisverein“ nannten und die oft schon über ein Unterstützungs- und Sterbekassenwesen verfügten, zu einen Verband noch keine Rede sein. Erst im Revolutionsjahr 1848, als dem Staat Gefahr drohte, wurden die ersten Wünsche nach Zusammengehörigkeit und einer Vereinheitlichung der sozialen Einrichtungen zum Zwecke einer wirkungsvolleren Hilfe laut und es kam verschiedentlich innerhalb der Provinzen zu meist losen Zusammenschlüssen, die vielfach Wiederkehr ruhiger Verhältnisse ins Wanken gerieten und sich wieder auflösten.

Nur einige, unter ihnen Vereine aus der Provinz Westfalen und aus Bayern, blieben bestehen. Einen ganz neuen und bedeutsamen Aufschwung erfuhren diese Zusammenschlüsse durch die Kriege 1864/65 und 1870/71. Nunmehr entstanden eine Bewegung, die sich über das ganze Reich ausbreitete, im Volke festen Fuß fasste und aus den einzelnen Vereinigungen ein deutsches Kriegervereinswesen mit großen nationalen Aufgaben werden ließ.

Die in dieser Zeit neu entstandenen Vereine unterschieden sich von den früheren vor allem dadurch, dass sie die Mitgliedschaft nicht nur auf Frontkämpfer beschränkten, sondern jeden jungen Deutschen, der eine Dienstzeit in Ehren absolviert hatte, aufnahmen. Jetzt wurde auch zum ersten Male der Ruf nach Vereinigung aller deutschen Kriegervereine laut, aber es dauert fast 30 Jahre, bis dieses Ziel erreicht wurde. Der lange Weg führte durch unendlich viele Irrungen, Streitigkeiten und Hader.

Mit 40 Vereinen begann der „Deutscher Kriegerbund“ im Frühjahr 1872 die Verbandsbildung der deutschen Kriegervereine. Die geringe Zahl der beigetretenen Vereine zeigt, dass die Zusammenfassung aller bestehenden Kriegervereine nicht gelang. Als es an die Erarbeitung der Statuten ging, fürchteten viele Eigenständigkeit zu verlieren und schlossen sich aus.

Entsprechend der föderativen Grundlage des Reiches befahlen dann die einzelnen deutschen Landesherren und Bundesfürsten die Errichtung eigener, bundesstaatlich begrenzter Landesverbände, die dem Ziel des Deutschen Kriegerbundes, einen „Reichskriegerverband“ zu schaffen, beharrlich entgegenwirkten. Erst nach dem Tode Kaiser Wilhelms I. gelang die Einigung.

Die Einigung im Jahre 1900

Die Errichtung des Kyffhäuser-Denkmals, das erste gemeinsame Werk aller Kriegervereine, löste um die Jahrhundertwende eine starke Bewegung mit dem Ziel aus, noch vorhandenes landsmannschaftlich Trennendes zu überwinden. Der gemeinsame ständige Ausschuss für die Verwaltung des Denkmals wurde mit der Aufgabe und Kompetenzen ausgestattet, die ihn über seine ursprünglichen Zwecke hinaus nach und nach zur Spitzenorganisation des gesamten Kriegervereinswesen werden ließen.

Höhepunkt dieser durch den Deutschen Kriegerbund geförderten Entwicklung war dann am 1. Januar 1900 die Umbenennung des ständigen Ausschusses und Eintragung des neues Bundes als „Kyffhäuserbund der deutschen Landeskriegerverbände“, in dem sich auch die bis dahin noch sehr der Stammeseigenschaft verbundenen Landeskriegerverbänden endlich zusammenfanden.

Dieses Beispiel deutscher Einigkeit zu Beginn des neuen Jahrhunderts führte in allen deutschen Landen zur Gründung weiterer Kameradschaften. Bald waren es rund 2 Millionen Mitglieder, vereinigt in 22 000 Kameradschaften.

NS-Zeit und Auflösung

Als 1933 die Nationalsozialisten zur Macht gelangten, war der Kyffhäuserbund in der Geschlossenheit alter Soldaten politisch unerwünscht. Schon 1932, als Hitler für das Amt des Reichspräsidenten kandidierte, hatte der damalige Präsident des Kyffhäuserbundes, General d. Artl. a.D. von Horn, die alten Soldaten aufgerufen, Hitlers Gegenkandidaten , dem Ehrenpräsidenten des Bundes, Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg zum Wohl des Vaterlandes das Vertrauen auszusprechen und diesen zu wählen.

Hitler verzieh seine Niederlage dem „Kriegerverein“, wie er den Bund nannte, nie. Als der Kyffhäuserbund und sein Ehrenpräsident von Hindenburg sich dann vor die jüdischen Frontsoldaten stellten, kam es zu neuerlichen Schwierigkeiten mit der NSDAP, auch deshalb, weil politisch Andersdenkende in den Kyffhäuserbund eintraten, um gegen Pressionen der NSDAP abgesichert zu sein.

Der Bund, der sich nicht kritiklos dem Regime unterordnete, galt bald als politisch unzuverlässig. Der Oberst a.D. und später „in Würdigung seines Einsatzes für die Pflege des deutschen Soldatentums“ zum General d. Inf. a.D. ernannte Wilhelm Reinhard, seit dem Tode Generals a.D. von Horn im Februar 1934 im Amt des Präsidenten, bemühte sich lange Zeit durch seine unnachgiebige soldatische Haltung den Einflüssen und Eingriffen der Partei zu trotzen, dem Bund seine Unabhängigkeit und Selbstständigkeit zu bewahren und dessen geplante Auflösung zu verhindern.

Im Jahre 1943 löste Hitler den Kyffhäuserbund widerrechtlich auf. Anlas gab die verlorene Schlacht um Stalingrad. Hitler hatte diese Stadt gegen den Rat hoher Offiziere verteidigen lassen und so sinnlos eine Armee geopfert. Das führte zu großen Unmut bei allen Soldaten. Zu diesem Zeitpunkt gehörte dem Kyffhäuserbund ca. 4,5 Millionen Soldaten als Mitglieder an.

Diese waren militärisch organisiert und in ca. 42 000 Kameradschaften zusammengefasst. Damit bildete der Verband eine ernst zu nehmende Gefahr für den Bestand des politischen Regimes. Hitler handelte blitzschnell. Mit einem „Dankschreiben“ für die geleistete Arbeit entfernte er den Vereinspräsidenten aus seinem Amt. Im Zuge einer sogenannten „notwendigen Verwaltungsvereinfachung“ befahl er am 03.03.1943 die Auflösung des Kyffhäuserbundes mit den ihm angeschlossenen Verbänden bis zur Kreisebene.

Auf seine Anordnung wurde deren gesamtes Vermögen ohne Liquidation eingezogen. Die örtlichen Vereinigungen ließ er – allerdings ohne dass sie Kontakt untereinander hatten – bestehen. Er unterstellte sie jedoch der Betreuung von Hoheitsträgern der NSDAP.

Mit diesen Maßnahmen hatte er die gesamte Organisation des Kyffhäuserbundes zerschlagen und sowohl das Vermögen als auch die Mitglieder der Kontrolle der Partei unterstellt. Damit existierte der Kyffhäuserbund als Verband nicht mehr. Das Schreiben an den Präsidenten, sowie der Führerbefehl sollten den Eindruck erwecken, es habe sich nichts geändert.

In Wirklichkeit handelte es sich aber um eine geschickte Täuschung und eine perfekte Enteignung, vergleichbar mit dem angeblichen Überfall polnischer Truppen auf den Sender Gleiwitz oder der durch ein Staatsbegräbnis vertuschten Liquidation des Generalfeldmarschalls Rommel. In der Folgezeit wurden viele der sich zum Teil heftig gegen NS-Ideen und NS-Methoden wehrenden Vorstandsmitglieder des Bundes bis hinunter zu den Kreisverbänden und Kameradschaften verfolgt und zu längeren Freiheitsstrafen verurteilt.

Zwei Jahre später, mit Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Zusammenbruch des „Dritten Reiches“, wurde der bestehend bleibende Teil des Kyffhäuserbundes, der in die Partei zwangsüberführt worden war, verboten. Das Vermögen, das früher dem Kyffhäuserbund gehörte und jetzt dem NS Reichsschatzmeister unterstand, wurde darauf hin erneut beschlagnahmt.

Der Neubeginn

Im September 1952, neun Jahre nach seiner widerrechtlichen Auflösung und nach Überwindung vieler juristischer Hürden und Vorurteile, konnte sich der Kyffhäuserbund aus zwei Wurzeln – Berlin und Westfalen – unter seinen ehemaligen Präsidenten, Wilhelm Reinhard, neu gründen.

Er hatte als „Kyffhäuserbund – Bund ehemaliger Wehrmachtsangehöriger und Kriegsteilnehmer, ihrer Angehörigen und Hinterbliebenen“ seinen Sitz in Berlin und Wiesbaden. Die Verbandsarbeit musste, wie so vieles in jenen Jahren, wieder bei Null beginnen. Die meisten Kyffhäuser-Liegenschaften befanden sich in den Ostgebieten des ehemaligen Deutschen Reiches oder im Staatsgebiet der DDR; die wenig in der Bundesrepublik Deutschland standen unter der Treuhandschaft der Länder.

In zähem Ringen gelang es Präsident Reinhard und seinem Justitiar Teile der in der Bundesrepublik liegenden Vermögenswerte des Bundes zu retten. Zu den Kyffhäusern des Ersten und Zweiten Weltkrieges stießen in folgenden Jahren viele Soldaten und Reservisten der Bundeswehr, aber auch Frauen und Jugendliche.

Der „Deutsche Jugendbund Kyffhäuser e.V.“ wurde Nachfolgeorganisation der bereits 1933 zwangsweise aufgelösten „Kyffhäuserjugend“. Er ist heute mit seinen rund 10 000 Mitgliedern ein eigenständiger, aufstrebender Verband innerhalb des Kyffhäuserbundes.

Nachdem der Bund 1961 in „Deutscher Soldatenbund Kyffhäuser e.V.“ umbenannt wurde, beschloss 1977 die Bundesversammlung in Ludwigsburg dem Bund seinen traditionsreichen Namen „Kyffhäuserbund“ wiederzugeben, um mehr dem Volksbundcharakter des Bundes Rechnung zu tragen und so u.a. Frauen und Jugendliche die Aufnahme zu erleichtern.

Die Bürger in den neuen Bundesländern haben nach 40 Jahren in einer geschichtlich beispielhaften „Friedlichen Revolution“ ihren Willen bekundet, in einen freien und demokratischen Deutschland vereint zu sein. Mit der Vereinigung hat der Kyffhäuserbund e.V. die Möglichkeit erhalten, sich in den neuen Ländern zu etabliere.

Seine Mitglieder dürfen wieder offiziell das „Kyffhäuser-Denkmal“ besuchen.
So konnte am 20.10.1990 ein Friedensappell abgehalten werden, zu dem mehr als 3000 Mitglieder mit ca. 300 historischen Fahnen unter Beteiligung zahlreicher Ehrengäste aus dem In- und Ausland gekommen waren.

Am 10. Mai 1992 wurde der 100-jährige Grundsteinlegung des Kyffhäuser-Denkmales gedacht.